e-Scooter: Realitäts-Check

Seit der Einführung der e-Scooter als Sharingfahrzeuge im Sommer 2019 kamen bereits mehr als siebzig Modelle für den Privatbesitz durch die Zulassung und in den Handel. Um e-Scooter herum hat sich eine lebendige Szene entwickelt. Weit niedrigere Unfallzahlen als erwartet und eine (potentiell) verbesserte Ökobilanz verstärken diese Entwicklung.

 

Plötzliche Einführung der e-Scooter im Sommer 2019

 

Fast zwei Jahre nachdem e-Scooter in vielen europäischen Großstädten eingeführt wurden, sind die Fahrzeuge im Sommer 2019 auch in Deutschland zugelassen worden. Praktisch über Nacht standen die e-Scooter der fünf größten Sharinganbieter auf den Strassen. Teile der Medien, der Radfahrer, und einige meist ältere Bürger waren zunächst kritisch. Die manchmal rücksichtslose Weise, wie einige Nutzer die Fahrzeuge abgestellt haben, sowie die von „Kritikern“ umgeworfenen oder in Gewässern versenkten Roller haben mit dazu beigetragen.

Wie wir in einer unserer eigenen Studien im Herbst des gleichen Jahres ermittelt haben, wurden die neuen Roller vom Großteil der Stadtbewohner jedoch freundlich aufgenommen. Nutzer lobten vor allem den fast lautlosen Fahrspass und das unkomplizierte Ausleihen.

Die Fahrzeugmodelle der Sharinganbieter haben sich in kurzer Zeit verändert. Die Haltbarkeit der der Sharing-e-Scooter hat sich auf bis zu 18 Monate vervielfacht. Ausserdem stellten die ersten zwei Anbieter ihre Flotten auf Roller mit Wechselbatterien um. e-Scooter müssen so zum Aufladen nicht mehr über Nacht eingesammelt werden. Der Batteriewechsel der Roller findet per e-Lastenrad statt, was die Ökobilanz der Sharing-e-Scooter deutlich verbessert hat.

 

Zahl der Unfälle niedriger als erwartet

 

Die erwartete Flut von Unfällen ist im direkten Vergleich mit Fahrradunfällen ausgeblieben. Weil die Unfallzahlen deutlich niedriger sind, als erwartet, haben mehrere Versicherer Ihre Beiträge für e-Scooter-Versicherungen für das neue Jahr um teilweise mehr als 40% gesenkt.

Seit dem 1. Januar 2020 werden in der deutschen Unfallstatistik e-Scooter erstmals separat erfasst.

Zu Verletzungen kommt es trotz fehlender Helmpflicht hauptsächlich an Armen und Beinen.

Ein paar wichtige Fakten dazu:

  • 30% aller Unfälle ereignen sich bei der ersten Fahrt und
  • 80% bei den ersten fünf Fahrten
  • Bei mehr als der Hälfte aller Unfälle sind keine anderen Verkehrsteilnehmer beteiligt
  • Bei den übrigen werden e-Scooter häufig übersehen, z.B. von abbiegenden Autos und LKW
  • Die Hauptgründe für Unfälle sind größtenteils vermeidbar: Unachtsamkeit, Alkohol und das Loslassen einer Hand vom Lenker während der Fahrt (z.B. für Handzeichen zum Abbiegen)

Durch bessere Informationen für e-Scooter-FahranfängerInnen ließe sich ein Großteil der Unfälle leicht vermeiden. Wir empfehlen dazu unseren Beitrag: Wichtige Tipps für Deine erste Fahrt mit Deinem e-Scooter.

Im Februar 2020 ist die sehr umfangreiche und detaillierte e-Scooter-Studie des ITF (International Transport Forum) erschienen. Das ITF ist eine „zwischenstaatliche“ Organisation mit 60 Mitgliedsstaaten und beschäftigt sich mit Verkehrsfragen. Die Studie (Link) hat u.a. gezeigt, das e-Scooterfahrten nicht gefährlicher sind als Fahrten mit dem Fahrrad.

 

(Fast) geräuschloses Fahren

 

Da e-Scooter und Elektroroller (Motorroller mit Elektroantrieb) „praktisch“ geräuschlos fahren, sowie mühelos und gleichmäßig beschleunigen, ist das Fahren mit Ihnen stressärmer als mit den meisten anderen selbstgefahrenen Verkehrsmitteln.

Mit dem fast geräuschlosen Fahren steigt jedoch das Risiko von unachtsamen Verkehrsteilnehmern „überhört“ zu werden. Daher müssen z.B. neue Elektroautos in der EU ab Mitte 2021 mit einem Geräuschgenerator ausgestattet sein, der bei Geschwindigkeiten unter 20 km/h einen Ton abgibt. Obwohl auch „moderne“ Autos mit Verbrennungsmotor bei diesen Geschwindigkeiten kaum lauter sind, gilt diese Regelung nur für Elektroautos.

Wir haben seit letztem Jahr insbesondere in Paris die interessante Erfahrung gemacht, dass Fussgänger uns mit unseren von hinten an sie heranfahrenden e-Scootern und Elektrorollern gehört haben, und zur Seite gegangen sind. Nachdem uns das immer häufiger passiert ist, vermuten wir, dass Leute nun auch für das viel leisere „surren“ von Elektromotoren „konditioniert“ worden sind, und es daher auch unbewusst stärker wahrnehmen. Nun hat Paris gegenüber den meisten anderen europäischen (insbesondere deutschen) Städten ein paar Jahre mehr Erfahrung mit der „kleinen Elektromobilität“, aber wir rechnen damit, dass sich schon bald auch in Deutschland eine ähnliche Entwicklung zeigen wird.

 

Batterien von e-Scootern

 

Wie bereits oben erwähnt, stellen mehr und mehr Sharinganbieter ihre e-Scooter auf Modelle mit Wechselbatterien um. Das wenig umweltfreundliche nächtliche Einsammeln zum Aufladen der e-Scooter entfällt so. Es werden lediglich vor Ort, z.B. per Lasten-e-Rad, leere Batterien gegen aufgeladene getauscht.

Wir befürworten die Bemühungen eine Pflicht für entnehmbare Batterien und ein Batteriepfand auch für e-Scooter im Privatbesitz einzuführen.

Praktisch alle erhältlichen e-Scooter verwenden standardisierte Batteriezellen im 18650 - Format (diese sehen aus wie Haushaltsbatterien und haben eine Größe von 18 X 65 mm). Batteriezellen in diesem Format wurden bisher z.B. in Teslas Model S und X verwendet. Die Stoffe in ihnen können bereits heute zu 96% recycelt werden. Ein Batteriepfand würde das Recyceln begünstigen.

 

Große Zahl von e-Scootern jetzt auch im Handel

 

In den letzten Monaten haben es mehr als 70 Modelle durch die Zulassung und zu den Händlern geschafft. Wir haben alle in Deutschland zugelassenen e-Scooter in unserer Marktübersicht dokumentiert: Marktübersicht.

Es besteht eine große Nachfrage. Besonders günstige Angebote bei den Diskountern wie Lidl sind oft schon nach Stunden ausverkauft.

Wir gehen davon aus, dass sich durch den Privatbesitz von e-Scootern sowohl die Nutzung, als auch die öffentliche Wahrnehmung „normalisieren“ wird. e-Scooter werden zum alltäglichen Kurzstreckenfahrzeug nicht nur für die oft zitierte erste und letzte Meile werden, mit einem festen Platz im urbanen Strassenbild neben Fahrrädern. Weil e-Scooter-Besitzer mit eigenen Fahrzeugen vorsichtiger umgehen als Sharingnutzer, macht sich das auch an ihrem Fahr- und Parkstil bemerkbar.

In Ländern, wie den USA oder Frankreich, wurden e-Scooter (nicht wie in Deutschland) erst für den Privatbesitz verkauft, bevor sie 2-3 Jahre später von Sharinganbietern vermietet wurden. Dort hat sich gezeigt, dass die Unfallwahrscheinlich bei Sharingfahrten drei mal so hoch ist, wie bei Fahrten mit e-Scootern im Privatbesitz. Wir rechnen daher damit, dass sich bei e-Scootern im Privatbesitz die Unfallzahlen in Deutschland ebenfalls entsprechend weiter reduzieren werden.

 

e-Scooter können jetzt zum Mainstream werden

 

Bestrebungen in Städten z.B. ausgewählte PKW-Parkplätze zu kombinierten Fahrrad-, inkl. (e-)Lastenräder, und e-Scooter-Parkzonen umzuwidmen, sowie neue Gesetzesvorlagen im Bundesrat für die Austauschbarkeit und ein Pfand auf e-Scooter-Batterien zeigen, dass die Roller keine Modeerscheinung sind.

Internationale Beispiele und die hohen Verkaufszahlen machen deutlich, dass insbesondere e-Scooter in Privatbesitz auch in Deutschland schnell zu einem festen Bestandteil des urbanen Mobilitätsmixes aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrädern, (hoffentlich) weniger Autos, verschiedenen Sharing- und Sammelfahrtenkonzepten und jetzt eben auch (privaten) e-Scootern werden.

Noch gibt es Optimierungsbedarf:

  • Es werden verschiedene Lösungen (Bonus-/Malus-Systeme für Nutzer) für das richtige Abstellen von Sharing-e-Scootern und das nicht-Fahren auf Gehwegen ausprobiert (z.B. mit Sensordaten und künstlicher Intelligenz zum Erkennen, ob Gehwege benutzt werden etc.).
  • Da e-Scooter in Deutschland auf 20 km/h (im übrigen Europa fast überall 25 km/h) begrenzt sind, fühlen sich manche Rad- und Pedelec-FahrerInnen auf den Radwegen von e-Scootern ausgebremst. Selbst Pedelecs unterstützen die Fahrten elektrisch bis 25 km/h.

Es gibt Modelle in anderen Ländern, die funktionieren:

  • So sind in Österreich e-Scooter den Fahrrädern gleichgestellt, was die Regeln klarer macht. In Deutschland gelten sie als Kraftfahrzeuge, so dass z.B. dort wo das Befahren von Einbahnstrassen in entgegengesetzter Richtung für Fahrräder erlaubt ist, dasselbe nicht automatisch für e-Scooter gilt, und die Ordnungshüter das z.T. je nach Region unterschiedlich handhaben.
  • In Frankreich fahren Sharing-e-Scooter maximal 20 km/h, e-Scooter im Privatbesitz, die eine niedrigere Unfallwahrscheinlichkeit haben, dürfen 25 km/h fahren.

Andere Elektrokleinstfahrzeuge, die eine noch geringere statistische Unfallwahrscheinlichkeit als e-Scooter haben, wie z.B. Monowheels oder e-Skateboards, sind in Deutschland garnicht zugelassen. Doch möglicherweise ändert sich das noch.

Nachtrag: Das Potential von Elektrorollern (Motorroller mit Elektroantrieb / „Elektro-Vespas“) als teilweisen Autoersatz innerhalb von Städten erarbeiten wir gerade in unserer aktuellen Studie und werden wir in einem unserer nächsten Beiträge ausführlich mit internationalen „best practices“ beschreiben.

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